Die antike Laokoon-Skulptur hat die europäische Geistesgeschichte nachhaltig beeinflusst, aber hat sie für unsere heutige Zeit noch eine Bedeutung? Prof. Werner Kroener meint ja. In einer für das studioRose geschaffenen Installation konzentriert er sich auf die Gesichter der Dargestellten, und interpretiert sie neu, als Ausdruck verschiedener Extremsituationen wie Angst und Schmerz, Trance, Rausch und Ekstase.
Laokoon: Trance – Rausch – Ekstase
10. November bis 3. Dezember 2023
Mittwoch, Donnerstag, 16:00 bis 18:00 Uhr
Freitag bis Sonntag, 15:00 bis 18:00 Uhr
Vernissage: 10. November 2023, 19:30 Uhr
studioRose, Bahnhofstrasse 35, Schondorf am Ammersee
Veranstalter: studioRose
Die Laokoon-Gruppe
Die vermutlich im ersten Jahrhundert vor Christus entstandene Skulptur bezieht sich auf eine Episode aus Vergils „Aeneis“: Der Priester Laokoon versucht, seine Landsleute vor der griechischen Kriegslist des trojanischen Pferdes zu warnen. Um ihn zum Schweigen zu bringen, schickt die Göttin Athene zwei riesige Schlangen, die Laokoon und seine beiden Söhne erwürgen. Dieser Todeskampf ist in der erst 1506 wiedergefundenen Skulptur dargestellt.
Prof. Werner Kroener geht in seiner Neuinterpretation über den Kontext der antiken Sage hinaus. Obwohl uns heute keine Riesenschlangen mehr bedrohen, gibt es doch viele Dinge, die uns einschnüren, ängstigen, uns buchstäblich die Luft nehmen: wirtschaftliche Sorgen, erschreckende Kriegsnachrichten aus aller Welt, oder das Dauerfeuer aggressiver Diskussionen in den sozialen Medien.
Menschen in Extremsituationen
Neben diesen offensichtlichen Parallelen eröffnet Kroener in seiner Interpretation weitere Perspektiven. Die von Angst und Schmerz verzerrten Gesichter des Laokoon und seiner Söhne sieht er in einem größeren Zusammenhang von Extremsituationen und Kontrollverlust.
Deshalb sind in seinem großformatigem Triptychon nur die Körper der drei Figuren, ohne Gesichter dargestellt. Mögliche Varianten dieser Gesichter zeigt er in den anderen Bildern dieser Ausstellung. Es sind die Gesichter von Menschen in extremen Momenten, teilweise inspiriert von Kriegsfotos aus Stalingrad oder Vietnam.
Delightful Horror
Diese Bilder sind nicht leicht zu ertragen, sie sind eine Herausforderung für die Besucher der Ausstellung. Wer sich aber darauf einlässt, bemerkt eine Bedeutungsverschiebung. Es sind nicht immer Schmerz oder Tod, die sich in diesen Gesichtern spiegeln. Genauso gut könnten es auch andere Zustände des Kontrollverlustes sein, beispielsweise ein Ausdruck von Ekstase, Rausch oder Trance.
Es stellt sich so etwas wie ein Genuss am Schrecken ein. Diesen Begriff des „delightful horror“ hat im 18. Jahrhundert der englische Philosoph Edmund Burke geprägt. Das Erhabene zeige sich nicht nur in der Schönheit, schrieb Burke, sondern eben auch im Schrecklichen und Beängstigenden.
Damit beeinflusste er eine Diskussion rund um die Laokoon-Gruppe, an der sich auch Goethe, Winckelmann oder Lessing beteiligten. Diesen Diskurs überführt Kroener ins 21. Jahrhundert, mit Bildern des Erhabenen, die im ersten Moment Verstörung und Schrecken auslösen.
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog, in dem Dr. Silvia Dobler die Beziehung von Kroeners Laokoon zur Antike und zur kunsttheoretischen Diskussion des 18. Jahrhunderts analysiert.
Werner Kroener
Der in Koblenz geborene Werner Kroener studierte Malerei, Philosophie und Kunsttheorie in Karlsruhe, Heidelberg und München. Heute lebt und arbeitet er in Türkenfeld-Zankenhausen.
Seit 1987 ist Kroener Professor für visuelle Kommunikation in München. Mit seiner Werkserie Time Codes (http://www.time-codes.de/ und http://www.time-codes-echo.de/) erforscht er seit 2010 die Wirkung griechischer Skulpturen in der Gegenwart. Diese Arbeiten waren in großen Ausstellungen in der Glyptothek München, im Landesmuseum Trier und im Mittelrhein Museum Koblenz zu sehen.
Website: http://www.kroenerkunst.de